Gürzenichstraße (Köln)

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Die Gürzenichstraße in Köln liegt mitten in der Kölner Altstadt und ist benannt nach dem bekannten Bauwerk, an dem sie entlangführt: dem Kölner Gürzenich, der im Dialekt Jürzenich, älter auch Jözenich heißt (Wrede 2010, S. 342).

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Ortsname Gürzenich auf dem Wenkerbogen von 1884/85 | © Georg Wenker, Sprachatlas Marburg
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Ortsname Gürzenich auf dem Wenkerbogen von 1884/85 | © Georg Wenker, Sprachatlas Marburg

Benannt ist der Gürzenich nach den Herren von Gürzenich, die als Ministerialen der Erzbischöfe von Köln dienten (Breuer 2009, S. 58) und denen das Grundstück, auf dem das Gebäude errichtet wurde, ehemals gehörte. Sie stammten aus der Gegend von Düren, aus einem Ort, dessen Name seit dem frühen 13. Jahrhundert als Gurzenich (1308), Gurtzenich (1537, 1576) und Gürtzenich (1805/06, 1846) überliefert ist und der heute ebenfalls Gürzenich heißt, im dortigen Dialekt Jützenisch. Die Deutung dieses Namens scheint relativ sicher zu sein: Es handelt sich wohl um einen sogenannten -acum-Namen, einen römischen Siedlungsnamentypus, der durch Zusammensetzung eines Personennamens und dem Suffix -acum gebildet wurde. Der zugrundeliegende Personenname ist im Fall von Gürzenich Curtius, der im Vergleich zu vielen anderen Namen, die bei der Rekonstruktion von -acum-Namen angenommen werden, sicher belegt und nicht nur erschlossen ist (Breuer 2009, S. 59). Die Ausgangsform des heutigen Gürzenich könnte also *Curtiniacum 'Gut des Curtius' sein. Neben dieser bereits lang vertretenen Annahme schlägt Günter Breuer eine weitere Option vor. So könnte der Name auch mit dem nur wenige Kilometer entfernt liegenden Ortsnamen Gertzen zusammenhängen, den er auf einen Gewässernamen zurückführt. Da der Gürzenicher Bach sowohl durch Gürzenich als auch durch Gertzen führt, könnte hier ein Zusammenhang bestehen, der allerdings bis jetzt nicht belegt werden kann.

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Zeichnung der Außenfassade des Gürzenichs aus dem 19. Jahrhundert, Lithographie von A. Wünsch nach einer Zeichnung von J. P. Weyer | © Kölnisches Stadtmuseum
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Zeichnung der Außenfassade des Gürzenichs aus dem 19. Jahrhundert, Lithographie von A. Wünsch nach einer Zeichnung von J. P. Weyer | © Kölnisches Stadtmuseum

Das geschichtsträchtige Gebäude ist ein bürgerlicher Repräsentationsbau aus der Mitte des 15. Jahrhunderts und einer der größten profanen Bauten der Stadt. Erbaut wurde er als zweites - neben dem Rathaus - öffentliches, nicht sakrales Gebäude im mittelalterlichen Köln, und sollte Zentrum des gesellschaftlichen Lebens sein. So befand sich im ersten Stock ein großer Festsaal und das Erdgeschoß wurde im 16. und 17. Jahrhundert als Kaufhaus genutzt. Der Saal wurde Schauplatz zahlreicher Veranstaltungen, neben Festen von Kaiser:innen, Fürst:innen und Bürger:innen, wurde hier unter König Maximilian I 1505 der Reichstag abgehalten und es fanden mehrere Krönungsfeiern statt. Im 17. Jahrhundert diente der Gürzenich ausschließlich als Warenhaus, wurde als solches aber in und nach der französischen Besatzungszeit zunehmend bedeutungslos. Stattdessen entwickelte sich ab den 1820er Jahren ein kulturelles Interesse an dem Bau, insbesondere als Veranstaltungsort für Musikfeste. So wurde er bald zu Kölns wichtigstem Veranstaltungsort; das Gürzenich-Orchester und der Gürzenich-Chor sind bis heute Größen der Kölner Musikwelt, die ihren Namen behalten haben, auch wenn sie heute in der Kölner Philharmonie auftreten. Neben Konzerten wurden ab 1822 auch Maskenbälle veranstaltet - und bis heute finden in den Sälen des Gürzenichs Karnevalsveranstaltungen statt, deren Fernsehübertragungen ihn überregional bekannt gemacht haben. Auch politische Ereignisse sind mit dem Bau verknüpft. 1875 bekam er erneut wirtschaftliche Relevanz, als die Börse in das Gebäude einzog. Die vielfältige Nutzung führte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Umbau und zur Erweiterung des Gürzenichs, ein Vorgang der in mehreren Etappen über Jahrzehnte hinweg durchgeführt wurde.

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Gürzenich nach dem Zweiten Weltkrieg | © Stadtkonservator Köln
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Gürzenich nach dem Zweiten Weltkrieg | © Stadtkonservator Köln

1943, während des zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude schwer beschädigt, lediglich die Außenmauern blieben größtenteils erhalten. Die Bedeutung des Baus für die Stadt wird dadurch deutlich, dass noch während des Krieges erste Überlegungen zum Wiederaufbau angestellt wurden. Realisiert wurde dieser dann Anfang der 1950er Jahre, die Wiedereröffnung fand 1955 statt. Der neue Gebäudekomplex unterscheidet sich vom ursprünglichen Bau: Der Anbau aus dem 19. Jahrhundert wurde nicht wiederaufgebaut, seine Überreste abgeräumt. Stattdessen wurde die Ruine der angrenzenden Kirche St. Alban in den neuen Gebäudekomplex integriert (Pfotenhauer 1993). Seitdem dient der Gürzenich als Austragungsort unterschiedlicher Veranstaltungen, neben den erwähnten Karnevalsveranstaltungen finden dort Gesellschafts- und Kulturveranstaltungen, Kongresse sowie kleinere Börsen und Ausstellungen statt (Historie - Gürzenich Köln).

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Kölner Gürzenich heute | © Viola Blumrich, LVR-Amt für Denkmalpflege
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Kölner Gürzenich heute | © Viola Blumrich, LVR-Amt für Denkmalpflege