Ortsnamen auf -scheid(t)

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Ortsnamen sind uralte sprachliche Zeugnisse. Sie können auf längst vergangene Rodungszeiten verweisen, nach Landnahmen bestimmter Völker oder auch geografischen Eigenheiten einer Gegend benannt sein. Teilweise sind sie in ihrer mundartlichen Lautung erhalten und seit Jahrhunderten tradiert, was das Verständnis für Nicht-Dialektsprecher zusätzlich erschwert.

Auch im Rheinland gibt es zahlreiche alte Landschaftsbezeichnungen: Dazu gehört neben -broich, -donk, -(ing)hoven/-koven oder -rath auch die Endung -scheid(t). Einzelne Ortsnamen auf -scheid(t) lassen sich dabei bereits vor dem 10. Jahrhundert nachweisen, entstanden ist die Vielzahl der Ortsnamen mit dieser Endung allerdings vermutlich erst im 11. bis 14. Jahrhundert. Sie entwickelten sich damit etwa zeitgleich zu den bekannten Rodungsnamen auf -rath/-rode, ihr Verbreitungsgebiet ist allerdings deutlich begrenzter.

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Ortsnamen auf -scheid im Rheinland | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
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Ortsnamen auf -scheid im Rheinland | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

Entstanden aus althochdeutsch scit, mittelhochdeutsch schit ‚Gespaltenes‘, ist -scheid(t) Grundwort vieler Ortsnamen im Rheinland. Die genaue Bedeutung von -scheidt in den einzelnen Ortsnamen ist nicht eindeutig geklärt; es gibt viele Deutungsmöglichkeiten. Da viele Orte mit -scheid(t) aber auf oder an beiderseitig von Tälern eingefassten Bergriedeln liegt, ist die ursprüngliche Bedeutung wohl ‚Wasserscheide, Bergrücken‘. Diese Bergrücken waren meist bewaldet, sodass die Endung zudem die Bedeutung ‚(Berg)Wald‘ annehmen konnte, welche ebenfalls großflächig verbreitet ist. In der großen Rodeperiode (etwa 12. bis 14. Jahrhundert) wurde -scheid(t) schließlich ein Modename für Orte, die in bewaldeten Gebieten lagen (siehe Dittmaier 1965) und daher häufig verwendet, auch ohne direkten Bezug zur ursprünglichen Bedeutung von -scheid(t). Teilweise wurde auch eine Grundstücksgrenze mit dieser Endung bezeichnet (RhWB, Band 7, Sp. 1003), da aber Grenzen auch im Flachland vorhanden sind, die meisten Orte mit der Endung -scheid(t) sich hingegen in höheren Lagen befinden, ist diese Bedeutung wohl seltener.

-scheid(t)-Ortsnamen sind sowohl im Rheinland als auch in Westfalen in verschiedenen Schreibvarianten belegt: -scheid (rot) sowie -scheidt (grün) in Zusammensetzungen, vereinzelt auch nur Scheid(t) (blau; Kürten, Lohmar, Remscheid, Erkelenz, Leichlingen, Radevormwald, Wiehl, Wuppertal) und teilweise, im Hunsrück und im Taunus auch -schied (siehe Dittmaier 1963, S. 262). Häufig scheinen die Ortsnamen auf -scheid(t) entsprechend ihrer Bedeutungen auf Orten an Hängen oder im Wald zu referieren. So sind diese Orte vor allem in Gegenden mit Bergen und Hügeln, heutzutage vor allem im Bergischen Land sowie im Städtedreieck Solingen-Remscheid-Wuppertal bis nach Essen und Ratingen zu finden: Wermelskirchen-Lindscheid, Wipperfürth-Oberröttenscheid, Solingen-Höhscheid oder Wuppertal-Fingscheid sind nur einige Beispiele. Auch im Südwesten bei Manscheid, Simmerath (Simmerath-Eicherscheid), Bad Münstereifel (Bad Münstereifel-Mutscheid, Bad Münstereifel-Reckerscheid) und Aachen (Aachen-Burtscheid, Aachen-Kohlscheid) gibt es einige Belege mit dieser Ortsnamenendung. Im Folgenden sollen die Gebiete, in denen Ortsnamen auf -scheid(t) belegt sind, näher betrachtet werden.

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Ortsnamen auf -scheid (Ausschnitt 1) | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
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Ortsnamen auf -scheid (Ausschnitt 1) | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

Im Südwesten zwischen Herzogenrath-Kohlscheid, Mechernich-Bescheid und Bad Münstereifel-Reckerscheid sind zahlreiche Belege dieser Ortsnamen zu finden. So überwiegen hier wie im gesamten Rheinland Belege auf -scheid (rot), bei Nideggen-Schmidt sind auch Ortsnamen auf -scheidt (grün) belegt vereinzelt finden sich in dieser Region allerdings Ortsnamen, die Scheid(t)- (blau) als ersten Bestandteil aufweisen. Nur wenige der Bestimmungswörter der -scheid(t)-Namen sind aus heutiger Perspektive sprachlich zu deuten, denn oftmals haben sich hier dialektale, teilweise auch ortsgebundene Bedeutungen erhalten, die nicht mehr oder nur noch selten verständlich sind. Grundlage einzelner Belege kann aber etwa die natürliche Beschaffenheit des Scheids sein: Hellenthal-Dickerscheid bezeichnet wohl einen breiten Scheid und Bad Münstereifel-Langscheid meint einen langen Scheid.

Auch im Südwesten des Rheinlandes bei Gummersbach, Rösrath und St. Augustin überwiegen Belege der Form -_scheid _(rot). Vereinzelt ist hier auch die einsilbige Form Scheid(t) (blau) zu finden, deutlich seltener hingegen solche Varianten, in denen Scheid- (orange) den ersten Bestandteil des Ortsnamens bildet. Vereinzelt lassen sich einzelne Ortsnamen noch verständlich machen, wenn sie etwa auf die Beschaffenheit des Scheides verweisen: Lindlar-Schlürscheid geht wohl auf schlier ‚Lehm, Schlick‘ zurück, Engelskirchen-Grünscheid bezeichnet einen Scheid, der aus der Ferne grün aussieht und Eitorf-Hönscheid ist nach hön ‚niedrig‘ gebildet.

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Ortsnamen auf -scheid (Ausschnitt 2) | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
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Ortsnamen auf -scheid (Ausschnitt 2) | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

Zuletzt noch ein Blick auf das Städtedreieck Solingen-Remscheid-Wuppertal. Hier scheint mehr Varianz bei der Schreib- und Bildungsweise der Ortsnamen auf -scheid(t) vorzuliegen als in den anderen Gebieten, auch wenn Belege auf -scheid (rot) auch hier überwiegen. Neben diesen gibt es allerdings auch solche, die auf -scheidt (grün) enden und solche, die einsilbig sind und nur Scheid(t) (blau) lauten. Viele dieser Ortsnamen sind heute nicht mehr verständlich, ihre Entstehung ist unklar. Nur teilweise lässt sich ihre Bedeutung rekonstruieren, so geht Wuppertal-Marscheid etwa zurück auf mar, mor ‚See, Teich, Sumpf‘, Burscheid verweist wohl auf die Nutzung des Scheides durch Menschen (von bùr, bùwen, das den Ackerbau bezeichnet) und teilweise dienen auch Personennamen (Marienheide-Wernscheid dürfte zu Werner gehören) (siehe Vogt 1895, Dittmaier 1965) als Bestimmungswort.

Auch eine Vielzahl von Familiennamen weist die Endung -scheid(t) auf – zumeist weil Menschen nach ihrer Herkunft oder ihrer Wohnstätte benannt wurden (etwa Walterscheid). Auch in Flurnamen ist -scheid(t) vielfach belegt – Tobias Vogelfänger benennt in seiner Untersuchung der Nordrheinischen Flurnamen neben den Schreibvarianten ScheidScheidt und Scheit auch Schied sowie Schiet als Synonyme, wobei die Form Scheid überwiege. In der Mundart sind viele Belege zudem zu -schet oder gar -sch (Dittmaier 1963, S. 262) abgeschwächt, was ihr Verständnis wiederum erschwert. Auffällig ist dabei, dass das Wort Scheid zwar am Niederrhein als ‚Grenze‘ bekannt ist (RhWB, Band 7, Sp. 1003), aber dort kein Flurname mit dieser Endung zu finden ist (siehe Dittmaier 1965).

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Ortsnamen auf -scheid (Ausschnitt 3) | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
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Ortsnamen auf -scheid (Ausschnitt 3) | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0