Düsseldorf-Himmelgeist

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Nahezu himmlisch klingt er, der Name des Stadtteils Himmelgeist im Düsseldorfer Süden. Im Dialekt des Ortes lautet er Himmeljees. Doch wie kommt der Stadtteil zu diesem Name? Hängt es damit zusammen, dass für Himmelgeist bereits für das Jahr 904 eine Kirche urkundlich erwähnt wird und daher von besonders guten "himmlischen Beziehungen" des Ortes und seiner Bewohner:innen auszugehen ist? Bei dem damaligen Kirchbau handelte es sich um eine Filialkirche der Abtei Kaiserswerth, die heutige Kirche St. Nikolaus wurde im 11. Jahrhundert errichtet.

Ein genauer Blick in die Urkunde von 904, in der Himmelgeist erstmals erwähnt wird, zeigt, dass der Namen des Ortes damals noch ganz anders lautete: in humilgise heißt es dort. Bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts versuchen Namenforscher:innen die ursprüngliche Bedeutung des Ortsnamens zu erklären und zu beschreiben, wie es zu dem heutigen, auf den ersten Blick so "durchsichtigen" Namen gekommen ist. Schnell war man sich einig, dass auch der alte Name aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt wurde, einmal humil (das dem heutigen Himmel entspricht) und gis (dem heutigen geist). Schwieriger war es, die beiden Wörter mit sinnvollem Inhalt zu füllen. Eine frühe Deutung führte den Bestandteil humil auf das lateinische Wort humilis 'niedrig' zurück; gis wurde mit mittelniederländisch gheest und mittelniederdeutsch gēst 'Geest, trockenes, höhergelegenes Küstenland' in Verbindung gebracht. Diese Erklärung hat zwei Schwachpunkte. Zum einen sind zusammengesetzte Namen, die aus Wörtern unterschiedlicher Sprachen bestehen, eher selten. Zum anderen trifft die Deutung des Ortsnamens als 'niedriges, trockenes Land' auf die naturräumlichen Gegebenheiten in Himmelgeist nicht zu. Denn selbst in die Kirche St. Nikolaus, die auf eine kleine Anhöhe gebaut ist, drang 1995 bei Hochwasser noch das Wasser des Rheins ein. Trockenes Land ist in der Umgebung um Himmelgeist also eher selten.

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Die wahrscheinlichere Deutung des Namenbestandteils gis rückt dann auch gerade die große Relevanz des Wassers in den Vordergrund. Hier wird gis zurückgeführt auf *gisa/gis/gais, eine alte und eher seltene Bezeichnung für ein besonders tosendes und schäumendes Gewässer. Damit verwandt ist das heutige Wort Gischt für 'Schaum stark bewegter Wellen, aufschäumendes Wasser'. Bestätigung erhält diese Deutung durch die Namen nahegelegener Orte (und Gewässer), die ebenfalls auf *gisa zurückgehen. Das ist zum einen der Ortsname Neviges (Stadtbezirk von Velbert), welcher auf den Namen eines Baches, Neuigisa bzw. Navisiga, beruht. Ob sich der Name humilgise nun auf einen Bach gleichen Namens bezogen hat oder aber auf den Rhein, ist heute nicht mehr auszumachen.

 Auf einer Karte aus dem Jahr 1573 zeichnete Christian S’Grooten den Ort Himmelgeist ein, nun mit deutlich veränderter Schreibung des Namens: Hymelgeist. Wie kam es nun zu dem Wechsel von gis zu geist? Anzunehmen ist, dass der Namenbestandteil gis für die Menschen in dieser Zeit unverständlich geworden war, der Zusammenhang mit einem Gewässer war für sie nicht mehr deutlich. Daher passten sie ihn an ein bekanntes Wort an: geist. Dies wird dadurch gestützt, dass der Wechsel von i zu ei in dieser Zeit ganz regelmäßig vorkam.
 
Bleibt die Frage, auf welchen Ursprung der Namenbestandteil humil zurückzuführen ist. Neben der Annahme, dass lateinisch humilis 'niedrig' zugrunde liegen würde, gab es auch den Versuch, das Wort an althochdeutsch himil 'Himmel' anzuschließen. Da es für die Schreibung humil 'Himmel' mit u statt i im Althochdeutschen insgesamt nur drei Belege gibt, ist das Zutreffen dieser Annahme wenig wahrscheinlich. Naheliegender ist da der Anschluss an den Namen eines Insekts: Hummel. Dieser ist aus früherer Zeit als althochdeutsch und mittelhochdeutsch humbal, hummel sowie mittelniederländisch hommel, hummel überliefert. Humilgise könnte also so viel bedeutet haben wie 'tosendes, schäumendes Gewässer, an dem viele Hummeln leben'. Es kann aber auch sein, dass gar nicht direkt auf das Insekt referiert wurde, sondern auf das Geräusch, was es macht. Die Hummel hat einen lautmalerischen Namen, d. h. sie wurde so benannt, weil sie ein Geräusch macht, das etwa wie humhum klingt. So gab es im Deutschen des 14. Jahrhunderts auch das Verb hummelen bzw. hummen, mit der Bedeutung 'wie eine Hummel summen'. Auch für das Niederländische aus dieser Zeit ist hummen belegt. In den rheinischen Dialekten gibt es dieses Wort bis heute: hummeln bedeutet 'brummen, summen, donnern' (RhWb, Bd. 3, S. 937). Nimmt man diese Bedeutung für humil an, würde der Name humilgise so viel bedeuten wie 'donnernder, brummender, schäumender Fluss'.
 
Die Umformung von humil zu Himmel fand vermutlich gleichzeitig mit der von gis zu geist statt: Das Wort mit der Schreibung hym(m)el (1573: Hymelgeist) kann entweder mit ü oder mit i gesprochen werden; der Weg zum Himmel, der zur Verbindung mit geist gut passte, war daher kurz.