Voets

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Stellen Sie sich einmal vor, dass in Ihrem Umkreis mehrere Menschen denselben Vornamen tragen. Wonach unterscheiden Sie diese dann, wenn Sie mit anderen über eben diese Personen sprechen? Ihnen fallen sicher zahlreiche Möglichkeiten ein, vielleicht nutzen Sie gar körperliche Merkmale dieser Namensträger:innen, um sie individuell zu kennzeichnen. Im 12. Jahrhundert hatte man ein ähnliches Problem – aufgrund des Bevölkerungswachstums und des Zuzuges vieler Menschen in die Städte, wurde es immer schwieriger, diese mit nur einem Namen eindeutig zu benennen. Daher griff man auf sogenannte Beinamen zurück, die die Grundlage für unsere heutigen Familiennamen bilden. Dabei nutzte man unterschiedliche Benennungsmotive, unter anderem auch charakterliche oder körperliche Eigenschaften einer Person. Auch der Familiennamen Voets verweist auf diese Benennungsart – es handelt sich um einen sogenannten Übernamen, der sich auf Füße, Beine, Gang- oder Bewegungsart bezieht.

Seinen Ursprung hat der Name im mittelhochdeutschen Wort vuoz ‚Fuß, Bein‘ sowie in der mittelniederdeutschen Entsprechung vōtvoutvoetvoit ‚Fuß‘. Belege des Familiennamens, die den Stammvokal -oe- aufweisen, sind vor allem in der Nordhälfte Deutschlands zu finden; ihr Hauptverbreitungsgebiet liegt aber im Rheinland und dort vor allem im Kreis Heinsberg, Krefeld, Düsseldorf sowie den umliegenden Kreisen (siehe geogen).

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Füße hinterlassen nicht nur Spuren im Sand, sondern auch bei den Familiennamen | © Daria Shevtsova, Pexels-Lizenz
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Füße hinterlassen nicht nur Spuren im Sand, sondern auch bei den Familiennamen | © Daria Shevtsova, Pexels-Lizenz

Das e dieser Varianten dient als Dehnungszeichen, es zeigt also an, dass der vorhergehende Vokal (hier das o) lang ausgesprochen wird. Dehnungszeichen markieren im Deutschen systematisch Bedeutungsunterschiede wie etwa bei Wahl gegenüber Wall oder den gegenüber denn. Heute verwenden wir in der deutschen Sprache vor allem noch die Dehnungszeichen h (Zahn, mehr, Lohn), e (Wiese, Miene oder die, früher auch hinter a bei den Ortsnamen Straelen oder Kevelaer) sowie die Verdoppelung von Vokalen (Saal, Tee, Zoo). In einigen rheinischen Ortsnamen findet sich zudem auch i als Dehnungszeichen, wie etwa bei Broich; allerdings ist dieses nicht mehr produktiv, wird also nicht mehr verwendet.

 Der Familienname Voets tradiert, wie zahlreiche weitere Familiennamen im Rheinland, noch alte Genitivflexion. Diese zeigt Abstammung an und ist aus Konstruktionen wie Jan Voets Sohn oder Anna Voets Tochter entstanden. Nach und nach ist dann der Zusatz Sohn (und auch Tochter) entfallen, die Endung -s ist allerdings erhalten geblieben und zeigt noch heute an, dass es sich bei den Träger:innen dieses Familiennamens um Nachkommen eines Menschen handelt, der aufgrund der Gestalt seiner Füße oder Beine oder aber seiner Gang- und Bewegungsart benannt wurde.

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In der deutschen Sprache dienen unterschiedliche Dehnungszeichen dazu, Länge des vorangehenden Vokals anzuzeigen, wie etwa bei Tee | © yomi yomi from kyoto, CC BY 2.0
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In der deutschen Sprache dienen unterschiedliche Dehnungszeichen dazu, Länge des vorangehenden Vokals anzuzeigen, wie etwa bei Tee | © yomi yomi from kyoto, CC BY 2.0