Thyssen

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Trägt ein bekanntes Unternehmen einen Familiennamen als Firmennamen, so kann es passieren, dass dieser Name deutschland- oder sogar weltweit bekannt wird, auch wenn sein eigentliches Verbreitungsgebiet nur sehr klein ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Name Thyssen, den wohl viele Menschen direkt mit Deutschlands größtem Stahlhersteller thyssenkrupp verbinden (ursprünglich Thyssen AG, Umbenennung 1997 nach der Fusion mit der Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp).

Wie die Karte zeigt, ist der Familienname Thyssen recht kleinregional am nördlichen Niederrhein verbreitet (ein Blick auf die Karte im DFD bestätigt dies für ganz Deutschland). Der Name wurde, genau wie die Variante Thissen, Tissen, Thijssen, Theißen, Theisen und Theyssen, von dem biblischen Rufnamen Matthias abgeleitet. Es handelt sich also um ein Patronym, einen Vaternamen. Der Name Matthias war im Mittelalter sehr beliebt und wurde oft vergeben, so dass viele Kurzformen dazu entstanden. Gängig waren im Rheinland beispielsweise solche Namenvarianten, bei denen der erste, unbetonte Teil des Namens weggelassen wurde: Thies, Theis, Thys. Durch das Ergänzen der schwachen Genitivendung -en wurden hieraus Familiennamen, der Sohn eines Mannes namens Thys konnte also Jan Thyssen genannt werden, die Tochter des Mannes Anna Thyssen.

Bild
Thissen/Theißen - Familienname | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0
Bildunterschrift
Thissen/Theißen - Familienname | © LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, CC BY 4.0

Auffällig in den unterschiedlichen Varianten des Familiennamens ist der Unterschied im Vokalismus: Neben Formen mit den Diphthongen ei und ey gibt es solche mit ie, i und y. Dieser Gegensatz ist auf einen Sprachwandel zurückzuführen, der frühneuhochdeutsche Diphthongierung genannt wird: In Wörtern mit langem i wurde dieses zum Diphthong ei verändert. Diese Veränderung hat jedoch nicht im gesamten deutschen Sprachgebiet stattgefunden; im Rheinland trat die Veränderung nur im Süden ein und auch längst nicht bei allen Wörtern. So heißt es im Ripuarischen zum Beispiel bis heute blieve für 'bleiben'. Das Phänomen zeigt sich beispielsweise auch bei dem Flur- und Straßennamen Siepen/Siefen/Seifen. Im benachbarten Niederländischen ist diese Veränderung wie im Norden Deutschlands gar nicht eingetreten.

Bei den Kurzformen von Matthias und den davon abgeleiteten Familiennamen ist auf der Karte am südlichen Niederrhein ein Nebeneinander von Varianten mit Diphthong ei/ey und Monophthong i zu erkennen, würde man die Karte gen Süden erweitern, würden nach und nach die ei-Formen überwiegen. Blieb im Rheinland das i erhalten, wurde es in vielen Wörtern und Namen gekürzt, zum Beispiel in Wing ‚Wein‘. Dies ist auch bei den Namenvarianten Thissen und Tissen der Fall: Sie werden mit kurzem i ausgesprochen. Die Formen mit langem i gibt es auch (erkennbar an der Schreibung mit ie: Thiesen, Thießen), Menschen mit diesen Familiennamen leben vor allem in Schleswig-Holstein. Thyssen kann sich lautlich übrigens auch von Thissen und Tissen unterscheiden: Dann wird das y eher als ü denn als i ausgesprochen.