Thewissen/Tewissen

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Christliche Figuren spielten bei der Bildung von Familiennamen schon immer eine große Rolle, da sie in der damaligen Gesellschaft äußerst bekannt waren und sich so häufig auch schnell verbreiteten. Das gilt auch für Matthäus und die aus diesem Rufnamen entstandenen zahlreichen Familiennamen. Einer dieser ist etwa Thewissen (mehr zu den Familiennamen aus Matthäus erfahren Sie in Debus 2011). Matthäus, wohl der Name eines biblischen Zöllners, der von Jesus als Jünger berufen wurde (siehe auch Debus 2011), stammt ursprünglich vom hebräischen Rufnamen Mattai, einer Kurzform zu hebräisch mattanyāh, was so viel wie ‚Gabe Gottes‘ bedeutet. Im Mittelalter fand der Name dann in seiner griechischen und lateinischen Form Matthaeus als Name einer der vier Evangelisten Eingang ins deutsche Sprachgebiet und wurde schnell zu einem beliebten Rufnamen.

Aufgrund seiner hohen Beliebtheit bildeten sich schnell zahlreiche Kurzformen des Namens, zumeist mit Wegfall der unbetonten ersten Silbe, darunter T(h)eis oder T(h)iebes (RhWB, Band 5, Sp. 948). Zudem entstand auch die Kurzform T(h)ewes, die auf den _Matthewes _(auch Matthaeus), eine Lautvariante von Matthäus, zurückzuführen ist: Schon früh wurden zahlreiche Rufnamen aus fremden Sprachen ins Deutsche entlehnt, häufig in der Form, wie sie in der Ursprungssprache gängig war. Dabei waren aber nicht alle Lautungen und Schreibweisen auch im Deutschen bekannt, was immer wieder zur Schwierigkeiten bei der Aussprache oder Schreibung führte. Das gilt auch für Matthaeus, denn die silbenübergreifende Vokalverbindung von ae (= ä) und u, die im hebräischen Original gang und gäbe ist, war im Deutschen lange Zeit nicht bekannt. Um diese Vokalverbindung zu unterbrechen, griff man zu einem Trick – man fügte zwischen den beiden Vokalen in aufeinanderfolgenden Silben ein w ein. So löste man die unbekannte Vokalverbindung auf und erleichterte die Aussprache.

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Apostel und Evangelist Matthäus ist wohl für die Verbreitung des Rufnamens verantwortlich | © Meister des Book of Lindisfarne - The Yorck Project (2002), gemeinfrei
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Apostel und Evangelist Matthäus ist wohl für die Verbreitung des Rufnamens verantwortlich | © Meister des Book of Lindisfarne - The Yorck Project (2002), gemeinfrei

Zwischen dem Althochdeutschen und dem Mittelhochdeutschen kam es dann zu einem weiteren lautlichen Wandel, der die Änderung von Matthäus zu Matthewes begünstigt hat – der Nebensilbenabschwächung. Ursache hierfür ist die Festlegung der Betonung auf den Wortanfang im Deutschen. Die Betonung der ersten Silbe führte dazu, dass die noch im Althochdeutschen in allen Silben vorhandenen Vokale abgeschwächt wurden, teilweise zu einem gemurmelten e-Laut (= Schwa), teilweise verschwanden diese unbetonten Nebensilben ganz (althochdeutsch gimeinida; forahana > mittelhochdeutsch gemeinde; forhen, forhel ‚Forelle‘). Matthewes/Matthaeus oder besser dessen Kurzform T(h)ewes dienen also als Grundlage des Familiennamens Thewissen.

Der Familienname Thewissen besteht nun neben der Kurzform T(h)ewes aus der Endung (= Suffix) -en. Hierbei handelt es sich um ein altes Genitivsuffix, das teilweise noch in Familiennamen erhalten ist. Man unterscheidet zwischen der starken Flexion auf -s (wie etwa bei den Familiennamen Peters oder Stoffels) und der schwachen auf -en (beispielsweise bei den Familiennamen Dahmen und Klasen). Diese erhaltenen Genitive erfüllen in Familiennamen sogenannte patronymische Funktion, sie referieren also auf die Abstammung einer Person. Entstanden sind sie aus Konstruktionen wie Jan Peters (Sohn) und Jan Otten (Sohn), bei denen im Laufe der Jahrhunderte der Zusatz Sohn entfallen ist. Der erste Träger oder die erste Trägerin des Namens Thewissen hatte also wohl einen direkten Vorfahren, der mit einer Kurzform des Rufnamens Matthewes angesprochen wurde.

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Auch die heutige Bezeichnung dieses Fisches wies im Althochdeutschen noch in allen Silben volle Vokale auf: forahana | © Apple2000, CC BY-SA 3.0
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Auch die heutige Bezeichnung dieses Fisches wies im Althochdeutschen noch in allen Silben volle Vokale auf: forahana | © Apple2000, CC BY-SA 3.0

Neben den bereits erwähnten lautlichen Veränderungen, die zum Familiennamen Thewissen geführt haben, ist zudem auffällig, dass der Name sowohl mit Th- am Anfang als auch mit einfachem T- zu finden ist. Dabei unterscheiden sich beide Formen deutlich in ihrer Verbreitung: Während Thewissen in weiten Teilen des Rheinlandes und dort vor allem Niederrhein, aber auch in anderen Teilen Deutschlands zu finden ist, leben Träger:innen des Namens Tewissen ausschließlich in Nordrhein-Westfalen und dort im Kreis Höxter in Westfalen und im Kreis Kleve sowie in Duisburg im Rheinland (siehe geogen). Das über griechisch θ ins Lateinische übernommene th wird im Zuge der Eindeutschung der Namen oft zu t vereinfacht, das heißt, die Schreibung fremder Namen wird an die deutsche Laut-Buchstaben-Zuordnung angepasst, so etwa auch bei Namen wie Schimanski (ursprünglich Szymanski). 

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Schimanksi wurde ebenfalls eingedeutscht ; ursprünglich lautete der Familienname wohl Szymanski | © www.horstschimanski.info, CC BY 3.0
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Schimanksi wurde ebenfalls eingedeutscht ; ursprünglich lautete der Familienname wohl Szymanski | © www.horstschimanski.info, CC BY 3.0