Diminutive in Familiennamen

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Ob Brötchen, Ohrläppchen oder Plätzchen, in der Standardsprache begegnen wir regelmäßig sogenannten Verkleinerungsformen (in der Sprachwissenschaft auch als Diminutive bekannt). Dabei handelt es sich um Substantive, an die im Standarddeutschen die Endung -chen oder -lein angehängt wird. Angezeigt wird mit diesen Formen zum einen Verkleinerung, zum anderen aber auch Bekanntheit, Vertrautheit oder eine besondere Beziehung der Sprechenden zum bezeichneten Gegenstand oder zur genannten Person: Schwesterchen oder Brüderchen, Problemchen oder Häuschen sind etwa solche Beispiele. Auch Familiennamen können Diminutivendungen aufweisen. Einige dieser sind gar regional geprägt, vorrangig zu erkennen an den Verkleinerungsendungen, die in den Dialekten dieser Regionen verbreitet sind: l-haltige Endungen (= Suffixe) wie -li oder -le sind vor allem im Oberdeutschen zu finden, k-haltige (wie -ke(n), -ge(n) oder -che(n)) sind ursprünglich aus dem Nieder- und Mitteldeutschen bekannt. Im Rheinland überwiegt daher die zweite Gruppe von Diminutivsuffixen.

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Auch bei unseren Ohren hat sich eine Verkleinerungsform eingeschlichen, genauer bei den Ohrläppchen | © Agung Pandit Wiguna, Pexels-Lizenz
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Auch bei unseren Ohren hat sich eine Verkleinerungsform eingeschlichen, genauer bei den Ohrläppchen | © Agung Pandit Wiguna, Pexels-Lizenz

Familiennamen mit Diminutiven können entweder aus dem Wortschatz übernommen worden sein (Bächle ‚der am Bächlein wohnt‘), einem Namen eine emotionalere Konnotation verleihen, als Unterscheidung von Vater und Sohn dienen oder aber als Mittel, um aus Substantiven einen Namen zu bilden (Klüglein ‚der Feine, Kluge‘). Beispiele für rheinische Familiennamen mit Verkleinerungsendungen sind etwa BüttgenHeintges, Hartjes, Tiedjen, Lemken, Peschkes oder Geerkens. Interessant bei diesen Familiennamen ist, dass sie größtenteils auf Rufnamen zurückgehen (so etwa Jentges, Heintges oder Päffgen), aber auch Übernamen wie SchöngesHündgenBüttgen oder Kleinken sowie Benennungen nach Wohnstätte (Bäumges, Köttgen, Peschkes, Höfken) oder Beruf (Keutgen) vertreten sind. Einen Sonderfall bildet der Familienname Lemken, denn je nach Analyse kann dieser entweder auf einen Vornamen, einen Beruf, einen Übernamen oder eine Wohnstätte zurückgehen. Das Rheinland ist eben eine der buntesten Sprachregionen Deutschlands und durch unterschiedliche Einflüsse geprägt, die sich auch in den Familiennamen zeigen.

Wie sind diese unterschiedlichen Endungen im Rheinland nun entstanden, wo haben sie ihren Ursprung? Die Endung -ke(n) stammt wohl von der altsächsischen Endung -ikīn, im Westen tritt das k-Suffix in verschiedenen Varianten auf, etwa in der Form -ge(n)(s); diese ist durch Lenisierung, also durch Schwächung von p, t und k zu b, d und g, entstanden. Teilweise ist auch die Endung -je(n)(s) bei Familiennamen im Rheinland zu finden. Diese geht ebenfalls auf -ke(n) zurück und ist durch einen Lautwandel entstanden, der in Familiennamen besonders in der Position nach Dental zu beobachten ist (Wandel von /g/ zu /j/ wie etwa in Lütje) und vor allem am Niederrhein und im Nordsächsischen auftritt.

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Verkleinerungsendungen in den Dialekten | aus: König/Elspaß/Möller 2019, S. 157.
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Verkleinerungsendungen in den Dialekten | aus: König/Elspaß/Möller 2019, S. 157.